Terminlich verordneter Sex beim Kinderwunsch kann die Beziehung sehr belasten und ist oftmals sehr frustrierend. Doch ein Paar kann diese schwierige Phase gut überstehen. Wenn Paare monatelang oder sogar weit über ein Jahr lang erfolglos versuchen, ein Kind zu bekommen, kann das zu grossem Frust führen. Oftmals belastet der Sex nach Plan die Sexualität eines Paars negativ. Und oft holen sich betroffene Paare erst nach einer gewissen Zeit Hilfe. Sie probieren selbst einiges aus. Leider funktioniert es aber nicht immer wirklich gut und der Frust wächst weiter. Und so wirkt es sich allgemein negativ auf die Sexualität eines Paares aus.
Aber das muss nicht sein, immer wieder erlebe ich viele positive Beispiele in meiner Praxis. Wenn das Sexualleben schon vor dem Kinderwunsch intakt war, wird der Sex auch beim Kinderwunsch meist nicht nur auf die fruchtbaren Tage der Frau gelegt. Und bei Paaren, bei denen die Sexualität auch noch dann stattfinden, wenn die Frau keine fruchtbaren Tage hat, ist das Problem klein oder inexistent. Immer wieder berichten mir Frauen, dass sie sich beim Sex nach Plan fühlen, als würden sie sich einfach nur besamen lassen und Männer sehen sich nur noch als Samenspender.
Es ist toll, wenn Paare ihre Sexualität nicht nur auf die Fortpflanzung beschränken. Paare können mit Sex nämlich auch viele anderen Bedürfnisse befriedigen in dieser schwierigen Kinderwunschzeit. Paare, die Sex schon vor dem Kinderwunsch als festen und guten Bestandteil ihrer Beziehung variantenreich und genussvoll erleben durften, tun dies oftmals auch, wenn es dann wirklich um den Kinderwunsch geht.
Es ist wohl ein Mythos, dass Sex immer etwas ganz Großartiges sein muss. Es kann immer zu Frust führen, wenn Paare meinen, Sex müsse immer genussvoll sein – dies beschränkt sich kaum auf die Kinderwunschzeit. Sexualität kann mal mit mehr und mal mit weniger Lust verbunden sein. Es ist ein bisschen wie frühstücken. Mal genießt man ein Brunch mit allem Drum und Dran und lässt sich sehr viel Zeit dafür, dann wieder reicht ein Stück Brot um schnell satt zu werden. So ist es auch mit der Sexualität, aber sie sollte ganz normal dazu gehören wie das Frühstücken zu einem guten Tag gehört.
Es gibt wohl nicht den ultimativen Super-Tipp, den man Kinderwunschpaaren mit auf den Weg geben kann. Aber jedes Paar sollte sich fragen: “Wie leben wir unsere Sexualität – vor, während und auch nach dem unerfüllten Kinderwunsch? Wie sieht unsere Beziehung ansonsten aus? Welchen Stellenwert hat Erotik in unserer Beziehung? Beschränkt sich der Sex während der Kinderwunschzeit nur noch auf die Penetration?” Mit diesen Fragen kann das Kinderwunschpaar ansatzweise erkennen, wo ihre persönliche Sexualität steht und was in ihrem persönlichen Fall als Maßnahme funktionieren könnte.
Jedes Paar muss zudem für sich herausfinden, wie, wann und wo sie über die Sexualität reden wollen. Es gibt Menschen mit einem sehr hohen Mitteilungs- und Gesprächsbedürfnis, die den erotischen Raum nur übers Gespräch erleben. Für andere ist das ein No-Go. Man kann das Thema Sexualität auch beim Kinderwunsch zerreden und der Schuss kann auch nach hinten losgehen. Darum sei hier gesagt, dass es einen sehr vorsichtige und einfühlsamen Kommunikationsweg braucht, in dieser schwierigen Zeit.
Sicherlich hast du auch schon den Satz gehört: «du musst dich beim Sex nur entspannen, dann wirst du schon schwanger». Das alleine wird es aber wohl leider nicht sein. Oftmals ist der unerfüllte Kinderwunsch medizinisch erklärbar. Selbstverständlich hat Stress innerhalb der Kinderwunschzeit und auch während der Schwangerschaft Auswirkungen auf das Paar und den Verlauf der 9 Monate Babybauch. Es ist nicht bewiesen, dass eine Schwangerschaft nur dann eintritt, wenn das Paar total entspannt ist. Entspannung beeinflusst sicherlich die Kinderwunschzeit und die Schwangerschaft, aber alles auf die Entspannung zu schieben wäre wohl auch ein Fehler.