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«Niemand entscheidet sich freiwillig für eine Eizellenspende»: Wie sich ein Paar im Ausland seinen Kinderwunsch erfüllte

Quelle: Thurgauer Tagblatt / Chiara Stäheli

Vier gesunde Kinder hat Tanja Romano auf die Welt gebracht. Hätte ihr das jemand vor fünf Jahren prophezeit, so hätte sie dieser Person wohl gesagt, sie mache Witze. Aus gutem Grund: Seit ihrem dreissigsten Geburtstag versuchten die Ostschweizerin und ihr Ehemann, ein Kind zu kriegen. Zwölf Jahre lang blieb der Versuch erfolglos, für das Paar eine unglaubliche Belastung. «Irgendwann läuft einer Frau die Zeit davon», sagt Tanja Romano. Und mit der Zeit schwinde auch die Hoffnung. Der Kinderwunsch aber bleibe.

«Dieses immense, ureigene Bedürfnis nach einem Kind hat mich nie losgelassen», so Romano. Gemeinsam mit ihrem Partner informierte sie sich deshalb über fortpflanzungsmedizinische Möglichkeiten. Da diese in der Schweiz allerdings begrenzt sind, riet Romanos Gynäkologe zum Besuch einer Kinderwunschklinik in Griechenland. Dort ist die Eizellenspende – wie in allen westeuropäischen Ländern, mit Ausnahme von Deutschland und der Schweiz – gesetzlich erlaubt.

Sexualität auf Knopfdruck hinterlässt Spuren

Für Romano und ihren Mann war klar: Sie wollten nichts unversucht lassen. «Dennoch musste der Entscheid, uns auf diese medizinische Unterstützung einzulassen, lange reifen.» Sie hätten sich viele ethische Fragen gestellt, sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt, bevor sie sich ein Flugticket nach Thessaloniki besorgten.

Die ständigen Diskussionen rund um das Kinderkriegen hinterliessen auch in der Beziehung des Paares Spuren: «Gerade im Bereich der Sexualität musste immer alles auf Knopfdruck erfolgen, alles drehte sich nur noch darum, schwanger zu werden», sagt Romano rückblickend. Die schwierige Zeit hätte sie aber auch näher zusammengebracht. Heute sehe sie darin auch viel Positives.

Die Besuche in Griechenland blieben nicht folgenlos: Mittels künstlicher Befruchtung und den Erkenntnissen aus der Präimplantationsdiagnostik wurde Romano schwanger – und zwar ohne fremde Eizelle. Die Freude war riesig, die Geburt des heute fünfjährigen Mädchens ein kleines Wunder.

Vor vier Jahren brach eine kleine Welt zusammen

Doch kurz darauf brach für Romano erneut eine kleine Welt zusammen: «Als mir der Arzt vor vier Jahren sagte, ich könne nur noch mit fremden Eizellen schwanger werden, war das ein Schock für mich.» Sie hat sich bereits darauf eingestellt, dass ihre Tochter nicht das einzige Kind bleiben würde.

«Niemand entscheidet sich freiwillig oder leichtsinnig für eine Eizellenspende. Das macht man nur, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind», sagt Romano, sichtlich ergriffen. Der Wunsch nach einem zweiten Kind war gross, das Paar entschloss sich für eine Eizellenspende. Erfolgreich: 2019 brachte Romano ihr zweites Kind zur Welt. Und das Glück der Familie schien perfekt.

Was tun mit den übrigen Eizellen?

Das war es eigentlich auch. Doch in der Klinik in Griechenland lagerten Embryonen, die im Zuge der Eizellenspende übrig blieben. Es handelte sich dabei um Eizellen der Spenderin, die mit dem Samen von Romanos Ehemann befruchtet wurden. Wieder stand das Paar vor einer schwierigen Entscheidung: Sollen die Embryonen vernichtet oder an ein anderes Paar gespendet werden? Oder doch in Romanos Gebärmutter eingepflanzt werden?

Romano und ihr Mann diskutierten stundenlang, wogen Vor- und Nachteile gegeneinander ab – und entschieden sich für eine dritte Schwangerschaft. Die Geburt von Zwillingen vollendete das Familienglück definitiv. «Unsere Kinder sind ein ungeheures Geschenk, wir empfinden riesige Dankbarkeit und Wertschätzung gegenüber der Spenderin», so Romano.

Romano begleitet nun selbst Paare mit Kinderwunsch

Die Erfahrungen, welche die 46-Jährige gemacht hat, gibt sie nun weiter. Als Coach begleitet Romano seit bald zwei Jahren Paare mit unerfülltem Kinderwunsch. Und sie macht ihre Geschichte öffentlich:

«Ich weiss heute, dass ich mich dafür nicht schämen muss. Viele Frauen leiden unter der Tabuisierung der ungewollten Kinderlosigkeit. Das will ich ändern.»

Sie zeigt den Paaren Möglichkeiten auf, spricht mit ihnen über Risiken, vermittelt Kontakte im In- und Ausland, begleitet sie mental im Coaching und klärt über finanzielle Aspekte auf.

Letztere sind keinesfalls vernachlässigbar, wie Romano sagt: «In unseren Kindern stecken einige tausend Franken.» Für viele Paare seien deshalb auch die finanziellen Mittel ein Hindernis: Ein Grund, weshalb viele für künstliche Befruchtungen ins Ausland fahren, obwohl diese auch in der Schweiz erlaubt sind.

Als Coach bezieht Romano auch die Partner mit ein. Schon oft habe sie erlebt, dass der Entscheid für eine Eizellenspende «gerade auch für die Männer eine riesige Entlastung» sei: «Das Leiden der Männer wird oft unterschätzt.»

«Warum ist ein Herzschrittmacher erlaubt, eine Eizellenspende aber nicht?»

Ihren Kindern enthält sie nichts vor: «Wir erzählen ihnen, dass sie auf einem etwas anderen Weg entstanden sind. Die Kinder dürfen unsere Geschichte kennen und wissen, dass ich keine Eizellen mehr hatte.» Romano glaubt nicht, dass die Eizellenspende einen negativen Einfluss auf die Entwicklung ihrer Kinder hat: «Ich bin überzeugt, dass der Umgang, die Bindung, die Nähe und die Liebe zu meinen Kindern entscheidend sind, nicht die Eizelle, aus der sie entstanden sind.»

Romano wünscht sich, dass medizinische Eingriffe zum «Leben-Schenken» auch hierzulande genau so eingesetzt werden dürfen wie solche zum «Leben-Erhalten»:

«Wieso ist ein Herzschrittmacher erlaubt, eine Eizellenspende aber nicht?»

Diese Frage begleitet Romano seit Jahren. Sie wünscht sich ein Umdenken in der Gesellschaft, der Politik und der Wirtschaft. Ihr Ziel: «Ich wünsche mir, dass nie mehr eine Frau wegen eines Termins zur Eizellenspende oder künstlichen Befruchtung ihren Arbeitgeber anlügen muss.» Romano geht mit gutem Beispiel voran – und spricht heute öffentlich über ihre Kinderwunsch-Odyssee.

Tanja Romano: Visualisierungscoaching

Ich bin Visualisierungscoach und engagiere mich für federleichte und freie Herzen. Verstehen, Akzeptieren, Vergeben, Loslassen!

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